Ab welchem Alter ist eine Eigenhaartransplantation frühestens sinnvoll durchführbar?

Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

mit dem folgenden Artikel möchte ich mich insbesondere an junge Menschen wenden, die sich auf diesem Weg über eine Eigenhaartransplantation informieren möchten. Immer wieder erreichen mich Anfragen von jungen Männern, die sich einer Eigenhaartransplantation unterziehen möchten. Auch wenn die Gründe für diesen Wunsch vielfältig sein können, wird er oft von starken Emotionen begleitet, die auf eine tiefe Verunsicherung hindeuten, weil die Männer das Gefühl haben, dass etwas mit ihrem Aussehen nicht stimmen würde. Das hat auch zur Folge, dass junge Menschen in dieser Situation für die Offerten unseriöser Anbieter von Eigenhaartransplantationen empfänglich sind, die ohne Rücksicht auf individuelle Beratungsbedürfnisse und ein nachhaltiges Behandlungsergebnis diesen Eingriff in jedem Alter allein zur Befriedigung der eigenen finanziellen Interessen durchführen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich gerade junge Menschen, die sich für eine Eigenhaartransplantation interessieren, dazu ermutigen, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und Heilsversprechen, die manche unseriöse Anbieter machen, kritisch zu hinterfragen. Ihnen sollte klar sein, dass es sich um einen Eingriff in den Körper handelt, der – wenn er nicht sorgfältig geplant wird und die Patienten intensiv begleitet werden – nicht den gewünschten langfristigen Erfolg haben kann. Im schlimmsten Fall können dadurch auch Schäden entstehen, die nicht mehr zu korrigieren sind, beispielsweise, wenn die Haarlinie zu weit vorne angesetzt wird.

Da das nachhaltige Wohlbefinden meiner Patienten für mich an oberster Stelle steht, führt dies dazu, dass ich immer wieder junge Menschen als Patienten ablehnen muss, da sich bei der Begutachtung oder Beratung herausstellt, dass ein Eingriff auf medizinisch verantwortungsvolle Weise nicht möglich ist. Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, erläutern, warum es immer eine gute Idee ist, bei Zweifeln bezüglich einer Eigenhaartransplantation mit dem Eingriff noch etwas zu warten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre!
Herzlichst
Ihre Angela Lehmann

Sorgen um das Aussehen setzen viele junge Menschen unter Druck

Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram haben dafür gesorgt, dass junge Menschen den Eindruck vermittelt bekommen, ein perfektes Aussehen in allen Lebenslagen wäre möglich und erstrebenswert. Schönheit und Attraktivität werden dabei eng mit Erfolg verknüpft und nicht selten wird es so dargestellt, als ob es sich bei kosmetischen oder plastisch-chirurgischen Eingriffen um etwas handeln würde, dass man „mal eben nebenbei“ machen könnte. Insgesamt zeigt sich also das Bild, Schönheit wäre eine Ware, die immer und überall zur Verfügung stehen würde, wenn man sie nur wollte.

Mit diesem Wissen stehen junge Menschen heute unter einem enormen Druck und haben dementsprechend grosse Erwartungen an sich selbst. Wenn sie sich in ihrem Aussehen negativ beeinträchtigt fühlen, verursacht das in der Regel Stress, wenn nicht sogar einen grossen Leidensdruck. Natürlich suchen diese jungen Menschen dann schnell und unkompliziert nach Möglichkeiten, ihren Selbsterwartungen wieder gerecht zu werden und dies kann insbesondere dann problematisch werden, wenn sie auf unseriöse Anbieter treffen, die ihnen auch im Bereich der schönheitschirurgischen Operationen in Aussicht stellen, den Eingriff in jedem Fall durchzuführen.

Solche Anbieter nutzen die Notlage junger Menschen mitunter schamlos aus, um ihre eigenen – oft ausschliesslich finanziellen – Interessen zu verfolgen. Ob die Behandlung risikoarm und nachhaltig durchführbar ist, interessiert diese Anbieter für gewöhnlich nicht und junge Menschen haben kaum eine Möglichkeit, dies zu hinterfragen, da die vor dem Eingriff geleistete Aufklärung über die Behandlung oft unzureichend ist. Diese Praxis stellt in meinen Augen einen grossen Missstand dar, denn im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit den teils sehr jungen Patienten muss ein seriöser Anbieter den Eingriff ablehnen.

Leider ist diese Praxis auch im Bereich der kosmetischen Eigenhaartransplantation immer wieder anzutreffen. Daher ist es wichtig, junge Menschen, die sich auf die Suche nach Informationen zu diesem Eingriff begeben, dafür zu sensibilisieren, dass es um einen Eingriff in den eigenen Körper geht, der nicht für jeden zu jedem Zeitpunkt im Leben infrage kommen kann.

Viele junge Menschen interessieren sich für eine Eigenhaartransplantation

Gerade in jüngster Zeit werden in meiner Sprechstunde immer wieder junge Menschen – vor allem Männer in den beginnenden 20er-Jahren – vorstellig, die sich über die Möglichkeiten und Grenzen einer Eigenhaartransplantation informieren möchten. Die meisten dieser Männer haben das Gefühl, bereits in jungen Jahren unter Haarverlust zu leiden.

Tatsächlich ist es so, dass viele Männer im Laufe ihres Lebens einen Haarverlust erleiden. Dieser wird auch als androgenetische Alopezie oder auch erblich bedingter Haarausfall bezeichnet. Prinzipiell gibt es keine Altersgrenze, ab der Männer von dieser Form des Haarausfalls betroffen sein können, was zur Folge hat, dass es auch bei jungen Männern dazu kommen kann, dass das Haar dünner wird. Vor diesem Hintergrund kommen insbesondere junge Männer zu mir, um Rat zu suchen und sich über eine Eigenhaartransplantation zu informieren. Zwar gibt es auch junge Frauen, die unter Haarverlust leiden, jedoch wesentlich seltener, da Haarverlust bei Frauen häufig mit hormonellen Veränderungen wie bei einer Schwangerschaft oder den Wechseljahren verbunden ist. Stattdessen bitten jüngere Frauen häufiger um eine Beratung, wenn ihr Haar durch Friseurbehandlungen Schaden genommen hat. Bei Männern dagegen kann der Haarverlust bereits um das 18. Lebensjahr einsetzen, also zu einem Zeitpunkt, an welchem die körperliche Reifung noch nicht vollständig abgeschlossen ist.

Häufig leiden die jungen Männer stark unter einem bereits zeitig einsetzenden Haarverlust, sodass manche regelrecht verzweifelt sind. Oft erlebe ich dabei, dass diese Patienten das Gefühl haben, es gebe ein tiefer liegendes Problem mit ihrem Körper oder der Haarausfall sei auf gewisse Lebensgewohnheiten zurückzuführen (Verwendung von zu viel Shampoo und kalkhaltigem Leitungswasser oder bedingt durch das Tragen der Kopfbedeckung beim Militärdienst). Viele sind auch traurig und suchen dringend nach Hilfe. Im Falle solcher Patienten ist zunächst ein offenes und verständnisvollen Zuhören wichtig, da viele das Problem nicht richtig einordnen können, zumal das nötige Wissen um den Haarverlust, dessen Ursachen und mögliche Behandlungswege fehlt.

Wie oben bereits erwähnt, kann der androgenetische Haarverlust bereits um das 18. Lebensjahr einsetzen. Dabei handelt es sich um eine Wachstumsstörung derjenigen Zellen in der Kopfhaut, die für die Bildung der Haare verantwortlich sind. Der androgenetische Haarausfall wird hauptsächlich durch die genetische Ausstattung eines Menschen bestimmt; er kann in der Regel nicht durch Lebensgewohnheiten beeinflusst werden und entzieht sich damit der Kontrolle der Betroffenen. Massgeblich für sein Auftreten ist der Hormonhaushalt, der sich im Falle von jungen Männern am Ende der Pubertät stabilisiert. Dies ist auch die Ursache dafür, dass Männer bereits in jungen Jahren vom androgenetischen Haarverlust betroffen sein können.

Die Behandlung eines Haarausfalls muss gerade in jungen Jahren sehr sorgsam erfolgen

Grundsätzlich erfolgt die Durchführung einer Eigenhaartransplantation so, dass die haarbildenden Zellen (Follikel) von einer Stelle des Kopfes, die auch als Spenderfläche bezeichnet wird, auf eine andere Stelle, die Empfängerfläche, verpflanzt werden. So ist es möglich, bereits von Haarverlust betroffene Areale der Kopfhaut wieder mit Haaren „aufzufüllen“. Welche Fläche auf diesem Weg wieder mit Haaren aufgefüllt werden kann, hängt hauptsächlich von der zur Verfügung stehenden Spenderfläche eines Patienten ab – und eben hierin liegt das grosse Problem der Eigenhaartransplantationen bei jungen Patienten: Wird beispielsweise ein 18-jähriger Patient, bei dem sich bereits ausgeprägte Geheimratsecken zeigen, mit dem Wunsch nach einer Eigenhaartransplantation vorstellig, so muss ein seriöser Behandler davon ausgehen, dass der Haarausfall bei diesem Patienten noch nicht abgeschlossen ist und mit zunehmendem Alter weiter voranschreitet.

Wird – wider die gute Behandlungspraxis – eine Eigenhaartransplantation zum Auffüllen der Geheimratsecken durchgeführt, ergeben sich daraus mehrere Probleme: Aufgrund der Tatsache, dass niemand seriös vorhersagen kann, wie weit der Haarausfall voranschreitet und welche Kopfhautareale davon betroffen sein werden, ist eine verantwortungsvolle Behandlungsplanung nicht möglich. Setzt sich der Haarausfall in den Geheimratsecken in Richtung der Kopfmitte fort, können kahle Stelle hinter den behandelten Arealen entstehen. Allerdings kann sich der Haarverlust auch seitlich fortsetzen. In jedem Fall machen die neu entstehenden haarlosen Stellen weitere Eingriffe erforderlich, für die aber nur eine begrenzte Spenderfläche zur Verfügung steht. Hinzu kommt das Problem, dass unseriöse Behandler die Haarlinie oftmals zu weit vorne ansetzen, was ebenfalls dazu führt, dass mehr Spenderfläche benötigt wird, als tatsächlich zur Verfügung steht. In solchen Fällen besteht also ein ausgeprägtes Risiko, dass es im weiteren Verlauf des androgenetischen Haarausfalls zu unästhetischen Behandlungsresultaten kommt. Sowohl Behandler als auch Patienten sind – auch wenn das Problem dringend erscheint – gut damit beraten, Geduld zu zeigen, denn nur, wenn sich im Verlauf zeigt, wie der Haarverlust weiter voranschreitet und sich ein möglicher Endzustand abschätzen lässt, kann eine solide Behandlungsplanung erfolgen, bei der genau bekannt ist, wie viel Spenderfläche zur Verfügung steht, um die von Haarausfall betroffenen Stellen wieder aufzufüllen.

Somit zeigt sich also: Mit Blick auf das Alter ist es niemals zu spät, eine Eigenhaartransplantation durchzuführen, aber es kann sehr wohl zu früh sein, wenn nicht klar ist, ob der androgenetische Haarverlust noch weiter voranschreitet. Für die Praxis bedeutet dies, dass ich in der Regel keine Patienten vor dem 24. Lebensjahr behandle, da ich frühestens ab diesem Alter ein nachhaltiges Behandlungsergebnis erwarten kann. Dem stehen unseriöse Anbieter gegenüber, die trotz dieses Erfahrungswissens Eigenhaartransplantationen bereits Jahre früher durchführen. Abseits finanzieller Interessen kann ich nur davon ausgehen, dass diesen Behandlern das Patientenwohl leider egal ist. Rechtlich ist dieses unseriöse Verhalten nicht bedenklich, denn in der Schweiz gibt es kein Mindestalter für die Durchführung einer Eigenhaartransplantation.

Die oben stehende Abbildung zeigt einen möglichen Verlauf des Haarausfalls bei jungen Menschen seitlich (oben) und in der Ansicht von vorn (unten). Während anfänglich nur der Bereich der Geheimratsecken betroffen ist (links), setzt sich der Haarausfall dann zunächst auf dem Kopf fort (Mitte links) und zieht dann weiter in Richtung Hinterkopf (Mitte rechts), während die Seiten bereits miterfasst werden. Im weiteren Verlauf sind dann auch zunehmend Schläfen und Kopfseiten mitbetroffen (rechts). Möchten sich junge Menschen nun einer Eigenhaartransplantation unterziehen, besteht die Hauptschwierigkeit darin, vorherzusagen, welche Bereiche der Haarausfall im weiteren Verlauf betrifft, was eine seriöse Behandlungsplanung vor dem 24. Lebensjahr in der Regel unmöglich macht.

In seltenen Fällen ist auch eine frühe Behandlung mit einer Eigenhaartransplantation möglich

Es gibt einige wenige Fälle, in denen ich nach sorgfältiger Prüfung eine Eigenhaartransplantation auch bei Patienten vornehme, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben: Dies betrifft allem voran jene Patienten, bei welchen die Kopfhaare infolge eines (meist schwerwiegenden) Traumas, wie zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall oder ausgedehnten Verbrennung, verloren gegangen sind. Neben der Tatsache, dass die körperlichen und psychischen Folgen des Unfalls noch über Jahre von den Betroffenen aufgearbeitet werden müssen, leiden diese auch sehr stark unter einem möglicherweise entstellten Äusseren, was einen enormen Leidensdruck verursacht. Wenn ich mit einer Eigenhaartransplantation dazu beitragen kann, dieses Leid zu lindern, dann ist dies auch bereits vor dem 24. Lebensjahr möglich. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass solche Fälle die absolute Ausnahme darstellen.

Unabhängig davon, ob die Patienten weiblich, männlich, jung oder alt sind: Wenn sich jemand einer Eigenhaartransplantation unterziehen möchten, sind in jedem Fall eine gründliche und verantwortungsvolle Beratung und Begutachtung des Patienten unumgänglich, um eine nachhaltig erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen. Nur dann, wenn ich mir in einem persönlichen Beratungsgespräch ausreichend Zeit für die individuelle Einschätzung eines Falls nehmen kann, ist ein für alle Seiten zufriedenstellendes Behandlungsergebnis möglich. Zu einem solchen Prozess gehört es eben auch, Patienten, beispielsweise wenn sie zu jung sind, mitzuteilen, dass – zumindest aktuell – die Eigenhaartransplantation noch keine sinnvolle Therapieoption darstellt.

Ich möchte gerade die jungen Leserinnen und Leser dieses Artikels dazu ermutigen, dass sie sich vor Augen führen, dass der schnellste Behandlungsweg nicht immer der beste ist, auch wenn es viele Anbieter auf dem Markt gibt, welche das Gegenteil versprechen. Nehmen Sie sich genug Zeit, um sich mit dem möglichen Verlauf und den Folgen eines Eingriffs auseinanderzusetzen und treffen Sie eine entsprechende Entscheidung nicht aufgrund von Emotionen und Versprechungen, die andere Ihnen machen! Mitunter braucht es etwas Zeit, vor allem, wenn Sie das Gefühl haben, unter dem aktuellen Zustand zu leiden, aber vergessen Sie dabei nicht, dass nicht ausschliesslich Ihr Aussehen Sie schön macht, sondern zuvorderst ihre Seele!

Sollten Sie nun noch unschlüssig sein, ob eine Eigenhaartransplantation in Ihrem individuellen Fall die richtige Behandlungsoption darstellt, möchte ich Sie dazu ermutigen, Kontakt mit mir aufzunehmen, um ein persönliches Beratungsgespräch in unserer Klinik zu vereinbaren. Zusammen werden wie eine verantwortungsvolle und nachhaltige Lösung finden.

Herzlichst
Ihre Angela Lehmann